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Rundgang durch die Gewächshäuser mit neu angelegten Beeten und Wegen, sanierter Stahlkonstruktion und gusseisernen Säulen © 2021 SBL Greifswald

Historische Gewächshäuser

17.12.2021 | Fertigstellung

Historische Gewächshäuser

17.12.2021 | Fertigstellung

"Gläsernes Zentrum des Botanischen Gartens" der Universität Greifswald saniert

17.12.2021 • Hochschulbau
Seit Mai 2019 wurden die drei großen historischen Gewächshäuser des Botanischen Gartens an der Münterstraße einer umfassenden Grundinstandsetzung unterzogen. Verantwortlich für das Bauprojekt ist das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt Greifswald.

Zur Historie

Die Universität Greifswald verfügt bereits seit 1763 über einen Botanischen Garten. Nachdem der alte Standort zwischen der Stadtmauer einschließlich der Wallanlage und dem Hauptgebäude an der Domstraße zum einen räumlich an seine Grenzen stieß und zum anderen den weiteren bedeutenden Universitätsbauten Auditorium (Bauzeit 1884 bis 1886), Augenklinik (1885 bis 1887) und Physikalisches Institut (1889 bis 1891) weichen musste, erwarb die Universität 1883 mehrere Grundstücke an der Grimmer Straße. Von 1883 bis 1886 wurde eine neue, in den Jahren um 1900 dann nochmals erweiterte Anlage am neuen, bis heute existierenden Standort im Bereich der Münterstraße geschaffen. Die an der Münterstraße befindlichen Villen waren beide im Jahr 1875 für Wohnzwecke erbaut worden. Beide Grundstücke wurden 1889 und 1901 ebenfalls durch die Universität angekauft und in den Garten einbezogen. Die darauf befindlichen Gebäude nutzte die Universität als Wohnhaus des Garteninspektors bzw. für Verwaltungszwecke.
Bereits 1884 begannen im südlichen Gartenbereich die Bauarbeiten für den ältesten Teil der heute bestehenden Gewächshausanlage – "das gläserne Zentrum des Neuen Gartens". Der Entwurf wird dem 1878 zum Universitätsbaumeister ernannten Paul Emil Hofmann zugeschrieben, der mit dem bei der "Greifswalder Maschinenbauanstalt und Schiffswerft" angestelltem Ingenieur Louis Burau zusammenarbeitete. Dieser Firma hatte man den Auftrag zur Errichtung des Gewächshauses erteilt. Von Seiten der Universität wurden die Bauarbeiten durch den Gartenbauinspektor Edmund Goeze betreut. Ebenfalls beteiligt waren Prof. Julius Münter und der Berliner Gartendirektor August Wilhelm Eichler.

Standort - Städtebauliche Situation

Der ab 1883 angelegte Botanische Garten der Universität Greifswald befindet sich am südwestlichen Stadteingang zwischen Münter- und Soldmannstraße, vor den Toren der Altstadt in Nähe des Bahnhofs. Seine historischen Gewächshäuser begründen den Grundstock dieses traditionellen Lehrortes. Die ehemaligen Klinikgebäude in der Soldmannstraße wurden von den Instituten Botanik sowie Zoologie genutzt. Es entwickelte sich hier ein eigenständiger kleiner Universitätscampus, der durch den Botanischen Garten ideal und folgerichtig komplettiert wird.

Das Entwurfskonzept - Architektur des Bauwerks

Es handelt sich um einen heute dreiteiligen Gebäudekomplex in einer Stahl-Glas-Konstruktion mit einem genieteten Rahmen. Dieser Komplex steht leicht erhöht, auf einer aufgeschütteten Fläche. Dabei fußt die eigentliche Metallkonstruktion auf einem ein Meter hohen und durch Sandsteinblöcke abgedeckten Klinkersockel. Das Mittelstück der Gewächshausanlage bildet das mit einem Satteldach versehene Palmenhaus mit einer Größe von ca. 10 x 10 Metern und einer Höhe von ca. 12 Metern. Durch diese Höhe und seine Giebelstellung tritt das Palmenhaus besonders in Erscheinung. Links und rechts davon befinden sich das Warmhaus und das Cycadeenhaus, die baugleich ca. 8 x 12 Meter groß sind. Sie lehnen sich mit ihren Pultdächern an den schmalen Sozialtrakt an, der mit seiner Fassade aus Backsteinen für alle drei Gewächshäuser die Rückwand bildet. Er hat eine Größe von ca. 5,2 x 34 Meter und eine Höhe von ca. 8 Meter.
Nach Abschluss der Sanierung besitzt dieses Gebäude wieder seinen abgetreppten Giebel sowie zwei nachgebildete Schornsteine.  Die auffallend schnörkellose Architektur orientiert sich an den Industriebauten der Gründerzeit und ist bemerkenswert. Das stählerne Grundgerüst der Gewächshäuser ist ausnahmslos genietet und geschraubt, die freistehenden Säulen in Kalt- und Warmhaus wurden aus Gusseisen gefertigt. Das Dachtragwerk ist durch ein graziles Verstrebungssystem ausgesteift, dessen Prinzip bereits Ende der 1830er Jahre für die Überbrückung großer Spannweiten entwickelt worden war. Die ursprüngliche Doppelverglasung der Gewächshäuser war seit den 1950er Jahren weitgehend durch eine einfache Verglasung ersetzt worden.  Bis auf originale technische Ausstattungen, wie z. B. die Warmwasserheizung, eine Bodenheizung unter einem erhöhtem Mittelbeet oder eine in den Boden eingelassenen beheizbare Zisterne, welche leider nicht mehr existieren, sind die drei großen Gewächshäuser an der Münterstraße bis heute im Wesentlichen erhalten.

Baumaßnahme - konstruktive und bautechnische Besonderheiten, Gebäudetechnik

Die 1885 errichtete Gewächshausanlage wurde einer umfassenden Grundinstandsetzung unterzogen. 130 Jahre Nutzung sowie zahlreiche bauliche Veränderungen hatten ihre Spuren hinterlassen, die die grundlegende Instandsetzung der Gebäude notwendig werden ließen. In diesem Zusammenhang wurden auch das Tragwerk ertüchtigt. Die Baumaßnahme umfasste die Sanierung der drei Gewächshäuser und den an diese andockenden rückwärtigen Sozialtrakt. Das Ganze erfolgte unter denkmalpflegerischen Aspekten. Alle haustechnischen Installationen wurden auf den derzeitigen Stand der Technik gebracht. Die alten historischen Heizkörper der Gewächshäuser wurden aufgearbeitet und an das Fernwärmenetz angeschlossen.

Förderung der Baumaßnahme

Das Projekt wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien – Denkmalschutz-Sonderprogramm V sowie dem Land Mecklenburg-Vorpommern, der Katharina und Gerhard Hoffmann Stiftung Hamburg, der Universität Greifswald, dem Freundeskreis des Botanischen Gartens sowie vielen weiteren Spendern.

Denkmalschutz - Denkmalpflegerische Zielstellung

Die drei großen Gewächshäuser des Botanischen Gartens an der Münterstraße sind bis heute im Wesentlichen erhalten und verkörpern ein Technisches Denkmal aus der großen Zeit der Eisenkonstruktion. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Greifswalder Anlage die einzige erhaltene ihrer Art. Auch bundesweit gibt es nur noch sehr wenige vergleichbare Großgewächshäuser mit erhaltener historischer Bausubstanz. In Anbetracht des hohen Denkmalwertes sollte mit der Umsetzung des Sanierungskonzeptes dem denkmalpflegerischen Interesse an umfassender Wahrung der Originalsubstanz und einer weitgehenden Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbildes bestmöglich Rechnung getragen werden. Als wesentliche Maßnahmen am Bestand im Sinne des Denkmalschutzes sind auszugsweise zu nennen:
  • Wiederherstellung der bauzeitlichen Fassade mit den bauzeitlichen Maßen der Fenster, Rückbau nachträglicher Anbauten
  • Wiederherstellung des Mauerwerks am Giebel mit Abtreppungen, Sandsteinabdeckungen sowie den beiden Schornsteinen
  • Austausch nachträglicher Ergänzungen des Mauerwerks gegen passende Steine
  • Einbau einer neuen Verglasung aus Einscheibensicherheitsglas (ESG) in Wandbereichen und Verbundsicherheitsglas (VSG) in den Dachflächen
  • Reparatur schadhafter Stahlbauteile
  • Ersatz beschädigter oder fehlender Nietverbindungen durch neue Nieten mit gleichem Durchmesser
  • Korrosionsschutz der Stahlkonstruktion in Anlehnung an die historische Beschichtung
  • Erhalt und Aufarbeitung historischer Heizkörper
Neben dem Erhalt des wertvollen baukulturellen Erbes werden sich mit der Sanierung der historischen Gewächshäuser auch die Arbeits- und Forschungsbedingungen für die Mitarbeitenden, Studierenden und das wissenschaftliche Personal des Botanischen Institutes verbessern.

Quellenangaben

Folgende Unterlagen wurden bei den o. a. Beschreibungen zum Bauprojekt verwendet:
  • Greifswalder Beiträge zur Stadtgeschichte, Denkmalpflege, Stadtsanierung Jahresheft 2017 zur Archäologie und Bauforschung,  Beitrag: Das "grüne" Gedächtnis Greifswalds – Zur Geschichte des Botanischen Gartens und seiner Bauten,  Autoren: Torsten Rütz und Thoralf Weiß
  • Schreiben Landesamt für Kultur und Denkmalpflege M-V vom 14. August 2014, Universitäts- und  Hansestadt Greifswald, Münterstraße 2, Botanischer Garten mit Gewächshäusern,  Denkmalwertbegründung für das Palmenhaus mit Warm- und Kalthaus

Die wichtigsten Eckdaten - Sanierung Historische Gewächshäuser

08/2017 bis 03/2018 Erstellung der Bauunterlage - Antrag Zuwendungsbau
10/2018 Genehmigung Bauunterlage mit Zuwendungsbescheid vom 24.10.2018
05/2019 Baubeginn
12/2021
Stand: 16. Dezember 2021

Planungsdaten - Sanierung Historische Gewächshäuser

Bauherr Universität Greifswald - Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch das Land Mecklenburg-Vorpommern, d.v.d. das Finanzministerium M-V, endvertreten durch das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt Greifswald
Gesamtbaukosten 4,4 Millionen Euro
Nutzfläche 318 m²
Bruttorauminhalt 20.112 m³
Architekt Dr. Fischer & Co. Bauingenieure GmbH, Berlin
Haustechnik GEFOMA GmbH, Großbeeren
Tiefbau Ingenieurbüro Küchler GmbH, Stralsund
Restaurator/in Diplom-Restauratorin (FH) Andrea Grund, Klein Grabow
Diplom-Restaurator Carsten Schneider, Greifswald
Bauleistungen, Anteil beauftragter regionaler Firmen
Stand: 16. Dezember 2021

Standort Botanischer Garten der Universität Greifswald mit Historischen Gewächshäusern

17489 Greifswald, Münterstraße 2

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