Universität Greifswald, Standortentwicklungskonzept Campus Loefflerstraße für die Geistes- und Sozialwissenschaften, 1. Bauabschnitt - 1. Teilbauabschnitt - Neubau Bibliothek und Hörsaalgebäude
25.10.2016 • Hochschulbau
Die Erbauungszeit des heutigen Campus Loefflerstraße erstreckt sich auf den Zeitraum von 1850 bis ca. 1875. Die Investitionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern in die Entwicklung dieses Standortes, etwa 150 Jahre später, werden vom Geschäftsbereich Hochschul- und Klinikbau (GB HSK) des landeseigenen Betriebs für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) umgesetzt.
Allgemeines
Anlass dieses Bauvorhabens war die Räumung des historischen Klinikstandortes Loefflerstraße 23 und die Herrichtung und Nachnutzung dieses Gebäudekomplexes für geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachdisziplinen.
Aus einem 2011 durch den BBL M-V ausgelobten Hochbaulichen Realisierungswettbewerb für die Neubauten Hörsaal, Bibliothek und Mensa ging das Leipziger Architekturbüro Eßmann Gärtner Nieper als Sieger hervor und wurde mit der Realisierung beauftragt.
Standort - Städtebauliche Situation
Der Gebäudekomplex Loefflerstraße 23 befindet sich am nördlichen Rand der historischen Innenstadt Greifswalds und bildet ein in sich geschlossenes Ensemble aus wertvoller, denkmalgeschützter Bausubstanz. Mit ihren klar strukturierten, vielfach symmetrisch aufgebauten Backsteinfassaden prägen sie maßgeblich das Stadtbild der Hansestadt Greifswald.
An erster Stelle stehen die Bestandteile des ehemaligen Klinik-Areals, die den Rahmen für die entstandene Neubebauung setzen und das Baufeld prägen. Dazu gehören:
- die "Innere Medizin" mit der 4-geschossigen Blockrandbebauung an der Loefflerstraße und dem 4-geschossig nach Norden in den Innenhof ragenden Gebäudeflügel
- die "Chirurgische Klinik" mit der 3-geschossigen Blockrandbebauung entlang des Flüsschen Ryck
- Teile der ehemaligen, zur ursprünglichen Klinikanlage gehörenden Wirtschaftsgebäude an der Hunnenstraße.
Neue Nutzung an historischem Ort
Das unter Denkmalschutz stehende Ensemble der ehemaligen Medizinischen und Chirurgischen Kliniken wird umstrukturiert und nach Umbau und umfassender Sanierung für die Geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachdisziplinen hergerichtet und durch diese nachgenutzt. Für diese neue Nutzung war es erforderlich, fehlende Nutzungsbausteine zu ergänzen, die den Universitätsbetrieb gewährleisten und dem Campus eine eigenständige Position innerhalb der universitären Standorte in Greifswald geben können. Dies wurde durch die Errichtung eines zentralen Hörsaalgebäudes und einer bereits 2015 fertig gestellten Bereichsbibliothek in die Tat umgesetzt.
Der Neubau der Bereichsbibliothek wurde an der nordöstlichen Grundstücksecke errichtet und orientiert sich an der Ausrichtung der historischen Klinikbebauung.
Im Zentrum des Quartiers, auf dem Innenhof entstand das neue Hörsaalgebäude und wird hier als dominierender Baukörper das studentische Leben auf dem Campus zentrieren.
Durch den Neubau von Hörsälen, einer Bereichsbibliothek für die Geisteswissenschaften und - der in einem zweiten Teilbauabschnitt geplanten und errichteten Mensa, entsteht hier der neue "Campus Loefflerstraße", auf dem nach Abschluss des Bauprojektes einmal bis zu 4.000 Menschen ein- und ausgehen werden.
Baumaßnahme - Konstruktive und bautechnische Besonderheiten
Vor Beginn der eigentlichen Baumaßnahmen waren umfangreiche vorbereitende Maßnahmen auf dem Grundstück erforderlich. Dazu gehörten beispielsweise die Verlegung der über das Grundstück verlaufenden oberirdischen Fernwärme-Trasse durch die SWG (Stadtwerke Greifswald), die Verlegung der Regenwasserableitung in den Ryck, der Abbruch eines Trafogebäudes und die Errichtung eines neuen Trafogebäudes an geeigneter Stelle. Der vorhandene Leitungsbestand musste komplett überplant und neu geordnet werden.
Baubegleitend waren Archäologen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege ständig auf der Baustelle, um das Gelände nach wertvollen Bodendenkmälern zu erkunden, zu bergen und zu dokumentieren, bevor mit der Errichtung der Neubauten begonnen werden konnte.
Ein historischer Verkehrsweg, vermutlich aus dem 15. Jahrhundert, wurde z.B. dort gefunden, wo sich jetzt das neue Hörsaalgebäude befindet. Teile der aus Feldsteinen bestehenden Stadtmauerfundamente, eine Holzwasserleitung, mittelalterliches Backsteinpflaster, Scherben, Münzen, Schmuckteile und historische Haushaltsgegenstände zeugen von städtischer Vergangenheit.
Unter der Zielsetzung, energiesparend und nachhaltig zu bauen, war der Einsatz energieeffizienter Anlagentechnik und Geothermie vorgesehen. Mittels 30 in den Boden eingebrachten Sonden wird das Erdreich geothermisch genutzt und so die anteilige Grundlastwärmeversorgung sowie die vollständige Kühllastversorgung beider Neubauten gewährleistet.
Eine große Herausforderung für den Bauablauf, die Logistik und die Baustelleneinrichtung auf dem Gesamtareal stellte der relativ beengte Bauraum dar, da auch der mitten im Areal liegende historische Obst- und Patientengarten erhalten und nicht berührt werden darf und wodurch z. B. kein vorzeitiger Baubeginn für die im 2. Teilbauabschnitt vorgesehene Mensa möglich war.
Das Entwurfskonzept
Mit den beiden Bauten Bibliothek und Hörsaalgebäude entstanden auf dem Campus neue bauliche Höhepunkte, die hier die städtebauliche Situation der nördlichen Altstadt mitbestimmen.
Im Zentrum des Quartiers, zwischen ehemaliger Chirurgie und historischer Bebauung entlang der Loefflerstraße, steht als dominierender Baukörper das neue Hörsaalgebäude. Der vorher fertiggestellte Neubau der Bibliothek besetzt die nordöstliche Ecke des Campus.
Die Bibliothek
Der Bibliotheksneubau an der nordöstlichen Ecke des Campus wird auch räumlich als Bücher- und Wissensspeicher interpretiert. Über Oberlichter fällt das Licht in den zentralen Bereich bis in das Eingangsgeschoss, der helle Luftraum erlaubt so in den Freihandbereichen eine einfache Orientierung auf allen Ebenen.
Der Haupteingang befindet sich an der südwestlichen Gebäudeecke, direkt gegenüber der geplanten Freifläche zwischen Hörsaalgebäude und neuer Ausgabemensa mit Cafeteria.
Das fünfgeschossige Bibliotheksgebäude nimmt im Erdgeschoss das Foyer, Garderoben mit 348 Einheiten, Ausleihe sowie Rückgabebereich, den Infoservice für die Beratung der Benutzer und Freihandflächen auf. Die Lesebereiche in allen Geschossen orientieren sich nach Norden zum Grünzug am Ryck. Verbindungsbrücken im Luftraum ermöglichen eine einfache Kommunikation zwischen den Freihandflächen. Im Freihandbereich des 4. Obergeschoss sind die Doppelgiebel in ihrer gesamten Höhe erlebbar. Sechs raumhohe Fensterelemente treten wie kleine Loggien aus der Ost- und Westfassade heraus und setzen Akzente. Diese Carrels - also Lesekabinen - bieten Raum für zwölf Einzelarbeitsplätze.
Die Bibliothek verfügt insgesamt über eine Regalkapazität von rund 11.000 laufenden Metern, über 225 Arbeits- bzw. Leseplätze und fünf Gruppenkabinen, die den Nutzern täglich von 8 bis 24 Uhr zur Verfügung stehen.
Das Hörsaalgebäude
Das pavillonartige Hörsaalgebäude, dessen innere Nutzung bereits in den Fassaden ablesbar ist, wurde im Zentrum des neuen Campus platziert und ist von drei Seiten aus zugänglich. Der Haupteingang befindet sich an der nordöstlichen Gebäudeecke direkt gegenüber den Eingängen der Bibliothek und der neuen Ausgabemensa, wo ein attraktiv gestalteter, zweiter Innenhof als Treffpunkt zum Verweilen und Kommunizieren einlädt.
Das Gebäude, welches auch im Inneren durch seine markante Klinker-Lochfassade geprägt ist, hat vier Geschosse und beinhaltet drei Hörsäle. Zwei kleine Hörsäle mit jeweils 152 Plätzen sind im Unter- und Erdgeschoss vorgesehen. Sie werden vom winkelförmigen Foyer umfasst und liegen wie in einer Kuhle im Campus. Im Obergeschoss darüber "schwebt" ein großer Hörsaal mit 496 Plätzen und überdacht das Foyer im Erdgeschoss. Mittels einer teilautomatisierten Trennwand kann bei Bedarf der große Hörsaal in zwei kleinere mit 208 und 288 Plätzen geteilt werden.
Alle Hörsäle verfügen über eine natürliche Belichtung, zum Teil über Oberlichter.
Gebäudetechnik
Mit dem Neubau von Hörsaalgebäude und Bibliothek wurde die Ver- und Entsorgungstechnik neu errichtet und an die neu erstellte Liegenschaftsinfrastruktur angeschlossen.
Die Wärmeversorgung der Neubauten erfolgt über das vorhandene Fernwärmenetz. Eine zentrale Fernwärmeübergabestation für Bibliothek und Hörsäle ist im Kellerbereich des Hörsaalgebäudes vorgesehen. Neben energieeffizienter Anlagentechnik kommt zusätzlich Geothermie über 30 Erdwärmesonden zu Heiz- und Kühlzwecken zum Einsatz. Die Bibliothek wird über die Fußböden geheizt und bei Bedarf über die Decken gekühlt.
Um den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) gerecht zu werden und die Buchsicherung in der Bibliothek zu gewährleisten (keine Fensterlüftung wegen Diebstahlgefahr), kommt in beiden Neubauten eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz. Für die Kälteversorgung ist im Hörsaalgebäude eine gemeinsame Kälteerzeugungsanlage vorgesehen.
Die elektrische Stromversorgung erfolgt aus einer neu errichteten Trafostation der Stadtwerke an der nördlichen Grundstücksgrenze. Beide Gebäude wurden mit Personenaufzügen, flächendeckenden Brandmeldeanlagen, Einbruchmeldeanlagen, automatischen Feuerlöschanlagen und Gebäudeautomation entsprechend dem Stand der Technik ausgestattet.
Für eine ruhige Lernatmosphäre sorgen Schallschutzelemente in den Lesebereichen der Bibliothek. Für Flexibilität bei der Hörsaalnutzung sorgt eine mobile, automatische Trennwand, mit welcher sich der große Hörsaal bei Bedarf in 2 kleinere unterteilen lässt.
Die äußere Gestaltung
Gestaltprägend für den Campus sind die Backsteinfassaden der ehemaligen Klinikbauten. Durch den Einsatz von ähnlichen Klinkeroberflächen für die Neubauten wird der Zusammenhang des Campus hergestellt.
Die Bibliothek - von den Architekten als "Wissensspeicher" konzipiert und umgesetzt - besetzt die nordöstliche Ecke des Campus und interpretiert mit seinen zwei Giebeln kraftvoll die Gebäudegestaltung des historischen Bestandes der chirurgischen Klinik. Das entlang des Ryck vorhandene Thema der Reihung von Backsteingiebeln wird aufgenommen und verlängert. Durch diesen Baukörper erhält der Universitäts-Campus Loefflerstraße eine besondere Adresse, da er bereits vom Stadteingang aus Richtung Stralsund ablesbar ist.
Die wie Vitrinen heraustretenden, raumhohen Fensterelemente mit Blechverkleidung bilden einen modernen Kontrast zu den Klinkerflächen und tragen zur Auflockerung der Fassade und des kompakten Baukörpers bei.
Planungsdaten - Neubauten Bibliothek und Hörsaalgebäude
Bauherr | Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch den BBL M-V, Geschäftsbereich Hochschul- und Klinikbau |
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genehmigte Gesamtbaukosten | 21,6 Millionen Euro (für Bibliothek, Hörsaalgebäude und übergreifende Maßnahmen) |
davon Baukosten | 18,6 Millionen Euro |
davon Honorarkosten | 3,5 Millionen Euro |
Nutzfläche gesamt | 4.383 m² |
Bruttorauminhalt gesamt | 32.966 m³ |
davon Bibliothek: | |
Baukosten Bibliothek | 9,6 Millionen Euro, davon ca. 1,6 Millionen Euro für Honorare |
Nutzfläche Bibliothek | 3.198 m² |
Brutto-Rauminhalt Bibliothek | 17.507 m³ |
Regalkapazität | ca. 11.000 laufende Meter |
Anzahl Lese-/Arbeitsplätze | 225 |
davon Hörsaalgebäude: | |
Baukosten Hörsaalgebäude | 9 Millionen Euro, davon ca. 1,5 Millionen Euro für Honorare |
Nutzfläche Hörsaalgebäude | 1.185 m² |
Brutto-Rauminhalt Hörsaalgebäude | 15.459 m³ |
Hörsäle / Hörsaalplätze | drei Hörsäle / 800 Plätze (469 + 152 + 152) |
beauftragte Architekten | Eßmann Gärtner Nieper Architekten GbR, Leipzig |
Tragwerksplanung | Ingenieurbüro Horn + Horn GbR, Rostock |
Haustechnik | EMUTEC GmbH, Neubrandenburg |
Außenanlagen | AIB - Bauplanung Nord GmbH, Rostock |
Stand: Februar 2016
Standort des neuen Campus Loefflerstraße für die Geistes- und Sozialwissenschaften
Die aktuellen Adressen der Neubauten Bibliothek und Hörsaalgebäude lauten Ernst-Lohmeyer-Platz 4 (Bibliothek) bzw. Ernst-Lohmeyer-Platz 6 (Hörsaalgebäude) in 17489 Greifswald.