Universität Greifswald, Grundsanierung ehemaliges Röntgenarchiv Soldmannstraße 14a (ehemals Soldmannstr. 15)
01.09.2023 • Hochschulbau
Nach zwölf Jahren Leerstand erstrahlt das historische Gebäude des ehemaligen Röntgenarchivs der Kinderklinik auf dem Campus Soldmannstraße nun wieder in "neuem altem Glanz". Seit Herbst 2021 wurde es umfassend saniert. Verantwortlich für das Bauprojekt war bzw. ist das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt (SBL) Greifswald.
Zur Historie
Mit der Gründung einer Poliklinik und eines Ambulatoriums für kranke Kinder gehörte die ehemalige Greifswalder Kinderklinik 1876 zu den ältesten in Deutschland. Diese Klinik war zunächst in verschiedenen angemieteten Häusern untergebracht und konnte erst 1913 in den Neubau an der Soldmannstraße einziehen *1.
Das Gebäude Soldmannstraße 14a wurde kurze Zeit später als Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Komplexes der Kinderklinik konzipiert und im Jahre 1915 errichtet. Bis ca. 2009 wurde es als Röntgenarchiv der Kinderklinik genutzt.
Mit dem Freizug der ehemaligen Klinikgebäude in der Soldmannstraße und deren Umnutzung durch die Institute Botanik und Zoologie entwickelte sich hier ein eigenständiger kleiner Universitätscampus. Die Planungen für diesen neuen naturwissenschaftlichen Campus der Botanik und Zoologie sahen ursprünglich den Abriss des ehemaligen Röntgenarchives vor. Aufgrund der überregionalen medizingeschichtlichen und architekturhistorischen Bedeutung des Klinikkomplexes wurde dem jedoch aus Denkmalschutzgründen nicht zugestimmt. Bis zum Beginn der Sanierungsarbeiten stand das Gebäude den Zoologen temporär als Lagergebäude zur Verfügung *2.
Standort - Städtebauliche Situation*
Der Gebäudekomplex Campus Soldmannstraße befindet sich in der Fetten-Vorstadt, südwestlich der Innenstadt, in der Nähe des Greifswalder Hauptbahnhofes. Die ehemaligen Klinikgebäude bilden dabei ein in sich geschlossenes Ensemble aus Gebäuden, bei denen es sich um zahlreiche Einzeldenkmale handelt. Das gesamte Areal ist als Denkmalbereich eingestuft. Die für die neuen Nutzer, die Institute Botanik und Zoologie, erforderlichen Laborflächen wurden in einem bereits 2015 fertiggestelltem Neubau im Bereich Soldmannstraße / Ecke Loitzer Straße an exponierter Stelle realisiert. Das ebenfalls hochgradig denkmalgeschützte Gebäude des ehemaligen Röntgenarchivs befindet sich zentral im Innenbereich des Campus, in geschützter Hoflage und ist umgeben von neu gebauten und sanierten Institutsgebäuden der Universität.
Das Entwurfskonzept - Architektur des Bauwerks
Bei dem Gebäude handelt sich um einen eingeschossigen, nicht unterkellerten, verputzten Ziegelbau mit ausgebautem Mansarddach. Es reiht sich in das Gebäudeensemble der ehemaligen Kinderklinik ein und entspricht gestalterisch den umliegenden historischen Gebäuden.
Alle äußeren Gestaltungsmerkmale der Gebäude des Areals der ehemaligen Kinderklinik orientieren sich an der 1913 errichteten Kinderklinik. Hervorzuheben ist u. a. das an allen Gebäuden vorzufindende Nebeneinander von gerillt gekratzten Putzflächen und glatt geputzten Gliederungselementen wie Lisenen, Fensterfaschen und Putzbänder. Weiterhin ist die Verwendung von Klinkersteinen im Sockelbereich und schiefernen Fensterbänken auffällig. *3.
Das Haus wurde als Mauerwerksbau mit Holzbalkendecken und Fachwerkinnenwänden errichtet. Das Mansarddach wird auf den Gebäudelängsseiten durch jeweils drei Gauben aufgelockert. An den kurzen Giebelseiten befindet sich jeweils eine Gaube. Die grundlegende Gebäudestruktur ist bis heute erhalten geblieben. Vor der Sanierung verfügte das Gebäude über zwei Gebäudeteile, die über zwei separate Eingänge von außen zugänglich und nicht miteinander verbunden waren. Im Erdgeschoss waren die Wirtschaftsräume untergebracht. Über die Holztreppe im mittleren Gebäudeteil erreicht man das Dachgeschoss, in dem sich ursprünglich eine Wohnung befand. Ein an der Westseite befindlicher eingeschossiger Anbau, der zu einem späteren Zeitpunkt entstanden war, diente als Gerätelager.
Das Gebäude blieb auch nach der Sanierung in seiner ursprünglichen Kubatur und Gestaltung weitestgehend erhalten. Lediglich der eingeschossige Anbau wurde abgebrochen und der zweite Eingang auf der Nordseite wurde geschlossen. Für das im abgebrochenen Anbau ehemals befindliche Gerätelager ist in naher Zukunft ein Ersatzbau in unmittelbarer Nähe auf der Liegenschaft vorgesehen. Im Innern musste die vorhandene Raumstruktur an die neuen Nutzungsanforderungen angepasst werden. Dabei wurde eine Trennung von Arbeitsbereich im Erdgeschoss und Bürobereich im Dachgeschoss umgesetzt.
Das ehemalige Röntgenarchiv steht heute, nach seiner Herrichtung, der Arbeitsgruppe experimentelle Pflanzenökologie als neues Domizil zur Verfügung. Auf einer Nutzungsfläche von ca. 176 m² sind im Erdgeschoss neben WC und Hausanschlussraum jeweils ein Schmutzarbeits- und Werkbereich, Auswerteraum sowie Lagerräume für Proben und Geräte untergebracht. Im Dachgeschoss sind neben Serverraum und einer kleinen Teeküche ausschließlich Büroräume zu finden. Insgesamt sind hier 18 Arbeitsplätze für wissenschaftliche Mitarbeiter, wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte und technische Angestellte entstanden.
Der barrierefreie Zugang des Gebäudes wird über eine neu gebaute Rampe im Außenbereich, vor der Eingangstür gewährleistet. Das Erdgeschoss wurde barrierearm hergerichtet.
Baumaßnahme - konstruktive und bautechnische Besonderheiten
Das ehemalige Röntgenarchiv stand seit 2009 leer und wurde nur temporär als Lager genutzt. Instandhaltungsmaßnahmen waren seitdem nicht mehr erfolgt, so dass sich der bauliche Zustand als desolat und marode entwickelte. Mit der Grundsanierung waren sowohl der marode Bauzustand zu beheben als auch die strukturelle Anpassung an die Erfordernisse der neuen Nutzer vorzunehmen.
Der Umfang der Maßnahmen erstreckte sich über die Sanierung und statische Ertüchtigung der baulichen Konstruktion, die brandschutztechnisch notwendige Aufrüstung der Bauteile, eine umfassende Schadstoffsanierung sowie vollständige Erneuerung der haustechnischen Anlagen und Installationen, die äußere Erschließung sowie die Gestaltung der Außenanlagen. Dabei wurden neben der denkmalpflegerischen Zielstellung insbesondere auch die barrierefreie Erschließung sowie baurechtliche Belange berücksichtigt.
Beispielhaft zu nennen sind hier u. a. folgende durchgeführte Maßnahmen:
- Komplette umfangreiche Schadstoffsanierung, z. B. Asbest, Teerpappen, Mineralwolle
- Komplette Fassadensanierung und Trockenlegung aller Außen- und Innenwände mittels vertikaler und horizontaler Abdichtung
- Erneuerung aller Fenster und Außentür im Erdgeschoss, Aufarbeitung der vorhandenen Fenster im Dachgeschoss inkl. energetische Verbesserung durch Aufdopplung zu Kastenfenstern
- Einbau von wärmegedämmten Dachflächenfenstern zur Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung der Büroräume im Dachgeschoss
- Erhalt der originalen Holzkonstruktion des Dachstuhles aus der Erbauungszeit, stellenweiser Austausch geschädigter Bereiche, Erneuerung der Dachgauben
- Erneuerung Dacheindeckung, Dachdämmung und Dachentwässerung
- Einbau neuer Innentüren bzw. Aufarbeitung vorhandener Innentüren nach historischem Vorbild
- Erhalt und Sanierung der vorhandenen hölzernen Innentreppe
- Komplettabbruch der vorhandenen Innenwandbekleidungen (Putz, Fliesen) und Erneuerung entsprechend neuer Raum-Nutzungsanforderungen
- Abbruch und Erneuerung aller vorhandenen Fußböden inkl. Sohlplatte und Horizontalabdichtung im Erdgeschoss, Erneuerung der vorhandenen maroden Dielung im Dachgeschoss
- Neugestaltung der Außenanlagen (Zuwegungen, Behinderten-Rampe, Fahrradständer, Pollerleuchten)
Gebäudetechnik
Im gesamten Gebäude wurden nach Rückbau der alten Anlagen die haustechnischen Installationen für Heizung, Elektro, Telefon- und Datenanschluss erneuert und ein flächendeckendes WLAN geschaffen. Es wurde eine Sicherheitsbeleuchtung, eine USV-Anlage sowie eine Blitzschutzanlage installiert. Für die Fernwärmeversorgung wurde eine neue Wärmeübergabe-Station im Hausanschlussraum errichtet. Ebenso erfolgte der Neueinbau der Sanitär- und WC-Anlagen. Moderne Gebäudeautomationsanlagen regeln und überwachen die Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen und sind auf die vorhandene GLT (Gebäudeleittechnik) der Universität aufgeschaltet.
Denkmalschutz - Denkmalpflegerische Zielstellung
Die Gesamtanlage der ehemaligen Kinderklinik ist bis heute im Wesentlichen erhalten. Sie ist in der Denkmalliste des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingetragen, wobei neben dem Hauptgebäude und dem ehemaligen Säuglingsheim auch die freistehenden historischen Nebengebäude, zu denen das alte Wirtschaftsgebäude (ehemaliges Röntgenarchiv) zählt, aufgeführt werden.
Die barockisierende Architektur mit den vom Wechsel hoher Backsteinsockel und strukturierter Edelputzflächen geprägten Fassade und den voluminösen Dächern - teils als Walm- und teils als Mansarddach - folgt der typischen Architektursprache im frühen 20. Jahrhundert, die vielfach bei Krankenhausbauten dieser Zeit Anwendung fand. … Durch Anwendung gleicher Gliederungsstrukturen und Materialien spiegelt sich diese Architekturauffassung auch bei den bauzeitlichen Nebengebäuden der Kinderklinik wieder. … Das alte Wirtschaftsgebäude von 1915 zeigt noch heute die übereinstimmende Architektursprache mit dem Hauptbau, da weder seine Dachdeckung einschließlich der zahlreichen Gauben zur Belichtung der ursprünglichen Wohnung im Dachgeschoss, noch die Backstein- und Edelputzflächen seiner Fassaden oder die Fenster einschließlich Türoberlichts verändert wurden. Die grundlegende Gebäudestruktur … hat sich bis heute bewahrt und macht die bauzeitliche Nutzung des Hauses für Wohn- und Wirtschaftszwecke offensichtlich. Aufgrund des guten Überlieferungszustandes, der Ablesbarkeit der ursprünglichen Nutzung sowie des gestalterischen und funktionalen Zusammenhangs mit den Klinikgebäuden besteht ein hohes öffentliches Interesse am Erhalt dieses Nebengebäudes *1.
In Anbetracht des hohen Denkmalwertes musste mit der Umsetzung des Sanierungskonzeptes dem denkmalpflegerischen Interesse an umfassender Wahrung der Originalsubstanz und einer weitgehenden Wiederherstellung des historischen Erscheinungsbildes bestmöglich Rechnung getragen werden. Als wesentliche Maßnahmen am Bestand im Sinne des Denkmalschutzes sind auszugsweise zu nennen:
- Wiederherstellung der bauzeitlichen Fassade mit den Backstein- und Edelputzflächen unter farblicher Orientierung an historischem Nachbargebäude Soldmannstr. 15
- Rückbau des nachträglichen Anbaus am Westgiebel
- Erneuerung bzw. Ertüchtigung aller Fenster und Türen in Anpassung an den historischen Befund
- Sichtbarmachung der ehemaligen zweiten Türöffnung durch Ausbildung einer Nische
- Erneuerung der Dacheindeckung mit Biberschwanzziegeln im historischen Erscheinungsbild / nach historischem Befund
- Erneuerung der Dachgauben entsprechend historischem Vorbild
- Sanierung der Schornsteine / Schornsteinköpfe
- Einbau erforderlicher Dachflächenfenster nur auf abgewandter Rückseite (Südseite)
- Erhalt und Aufarbeitung der historischen Holztreppe und des Treppengeländers
- Überwiegender Erhalt der historischen Innenwände und Raumstruktur in Abhängigkeit vom umzusetzenden Raumbedarfsplan
Sämtliche Maßnahmen zur Sanierung wurden sowohl planerisch als auch in der Bauausführung durch die Denkmalschutzbehörde begleitet. Auch bei den Bewertungen der Bausubstanz wurde grundsätzlich von einem weitgehenden Bestandsschutz ausgegangen.
Neben dem Erhalt des wertvollen baukulturellen Erbes werden sich mit der Sanierung des ehemaligen Röntgenarchives auch die Arbeits- und Forschungsbedingungen der Arbeitsgruppe (AG) experimentelle Pflanzenökologie des Botanischen Institutes verbessern.
Quellenangaben
Folgende Unterlagen wurden bei den o. a. Beschreibungen zum Bauprojekt verwendet:
*1 - Schreiben Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, Dr. Bettina Gnekow, vom 05.11.2009 – Greifswald, Soldtmannstraße 15
*2 - BBN 2 vom 17.09.2018, aufgestellt durch das Referat Bau- und Raumplanung der Universität Greifswald
*3 - Restauratorische Untersuchung vom 08.03.2021, Dipl.-Restaurator Hans-Henning Bär
*1 - Schreiben Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, Dr. Bettina Gnekow, vom 05.11.2009 – Greifswald, Soldtmannstraße 15
*2 - BBN 2 vom 17.09.2018, aufgestellt durch das Referat Bau- und Raumplanung der Universität Greifswald
*3 - Restauratorische Untersuchung vom 08.03.2021, Dipl.-Restaurator Hans-Henning Bär
Die wichtigsten Eckdaten - Grundsanierung ehemaliges Röntgenarchiv Soldmannstr. 14a
04.2019 | Vorlage BBN2 mit fachtechnischer Stellungnahme |
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12.2019 | Planungsauftrag für Erstellung Bauunterlage |
01.2021 | Vorlage der Bauunterlage |
04.2021 | haushaltsmäßige Anerkennung Bauunterlage |
10.2021 | Baubeginn |
08.2023 | Bauende / Fertigstellung |
24.08.2023 | Technische Übergabe an den Nutzer |
Stand: August 2023
Planungsdaten - Grundsanierung ehemaliges Röntgenarchiv Soldmannstr. 14a
Bauherr | Land Mecklenburg-Vorpommern, vertreten durch das Staatliche Bau- und Liegenschaftsamt Greifswald |
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Gesamtbaukosten | ca. 1,4 Mio. Euro |
Nutzungsfläche NUF | ca. 176 m² |
Brutto-Grundfläche BGF | ca. 258 m² |
Bruttorauminhalt BRI | ca. 786 m³ |
Architekt + Brandschutz | BAUKONZEPT Neubrandenburg GmbH |
Planung HLS-Anlagen | AIU Architekten- und Ingenieurunion Stralsund GmbH |
Planung Elektro-Anlagen | Ingenieurbüro und Gebäudeautomatisierung J. Heldt, Demmin |
Frei- und Verkehsanlagen-Planung | Landschaftsarchitekturbüro Olaf Petters, Stralsund |
Restauratorische Untersuchung | Diplom-Restaurator Hans-Henning Bär, Sundhagen |
Holzschutztechnische Untersuchung | Sachverständiger für Holzschutz Dipl.-Ing. Helmut Metzner, Negast |
Bautenschutzgutachten | Sachverständigenbüro für Hochbau Dipl.-Ing. Matthias Ruhnke, Bergen auf Rügen |
Gefahrstoffkataster | RW Umweltberatung GmbH, Greifswald |
Die Bauleistungen wurden zu 100% von regionalen Firmen aus Mecklenburg-Vorpommern erbracht.
Lageplan Campus Soldmannstraße für die Institute Botanik und Zoologie
Die aktuelle Adresse des ehemaligen Röntgenarchivs lautet Soldmannstraße 14a in 17489 Greifswald.